Die totale Sonnenfinsternis vom
30. August 1905 in Souk-Ahras (Algerien) sollte außerordentlich günstige Sichtbarkeitsbedingungen
versprechen. Die verhältnismäßige Dauer der Finsternis betrug
vorraussichtlich 3 3/4 Minuten und die Zone der Totalität verlief
durch Gegenden, die leicht zugänglich waren und gute Aussichten auf
klares Wetter boten.
Folgende Aufgaben wurden für
die Expedition festgesetzt:
1.Feststellung der Struktur der
inneren Korona
2.Photographie der äußeren
Korona und ihrer weiteren Ausläufer
3.Nachforschung nach intramerkuriellen
Planeten
4.Bestimmung der Helligkeit der
Korona und der Tageshelligkeit während der Finsternis
5.Beobachtung der Kontakte
6.Meteorologische und sonstige
Beobachtungen
Souk-Ahras ist ein Städchen
mit ungefähr 8000 Einwohnern im Nord-Osten von Algerien ca. 70km westlich
der algerisch-tunesischen Grenze. Die landschaftliche Lage ist sehr schön,
die Stadt liegt in einer Höhe von 680 m über dem Meer und ist
rings mit Bergen und Hügeln umgeben, die zum Teil mit Weinbergen und
Ackerland, zum Teil mit Korkeichenblättern bedeckt sind.
Nach dem Anfahren des Gepäckes
wurde mit dem Aufbau der Station begonnen.
Es wurden aufgestellt u. a.
das 20 m-lange photographische Fernrohr, dessen Objektiv gemeinsam mit
dem Cölostaten auf einem gemauerten Pfeiler montiert war. Südlich
davon stand auf drei kleinen gemauerten Pfeilern das Doppelaequatorial
mit den an seiner Achse zugleich befestigten vier weiteren photographischen
Apparaten. Weiter westlich auf einem Tisch standen drei feststehende Kameras,
daneben befand sich eine Hütte mit den meteorologischen Instrumenten
sowie zwei kleinere deutsche Militärzelte, unter denen Werkzeuge
und andere Utensilien aufbewahrt wurden. Den Schluss bildete das runde,
rotweiß gestreifte Zelt, das zum Aufenthalt für die Mitglieder
der Expedition und zugleich zur Aufbewahrung der kleineren Instrumente
und Apparate diente .
Die anschließenden vier
Tage bis zur Finsternis sollten für die Regulierung der Feinstellung
und Fokussierung der verschiedenen Instrumente genutzt werden.
Am Nachmittag des 25. August
machten die bis dahin guten Witterungszustände den Astronomen einen
"Strich durch die Rechnung". Es zog ein heftiges Gewitter mit Regenfällen
und Hagelschauern auf.
Die nächsten Tage wurden
damit genutzt, die leichten Schäden der Instrumente zu beseitigen
und zu hoffen, dass sie nun von weiteren Gewittern verschont blieben. Diese
Hoffnung sollte aber nicht lange bestehen, da abends erneut ein Gewitter
aufzog,
das sich über mehrere Stunden hinzog. Der entstandene Schaden
war sehr beträchtlich, denn die Zelte brachen zusammen und begruben
die Instrumente unter sich, außerdem fiel bei dem Doppelaeqatorial
das Holzgestell für das Uhrwerk auf das Fernrohr und die das Uhrwerk
mit dem Fernrohr verbindete Achse war krumm gebogen .
Der 29.August, ein Tag vor der
Finsternis, wurde noch von Vorbereitungen, Ausführungen der elektr.
Anlagen, Regulierung der Uhrwerke etc. und besonders die Herrrichtung eines
Dunkelzimmers für das Einlegen der photographischen Platten und weiterer
Photoarbeiten in Anspruch genommen.
Der Morgen des 30. August brach
bei herrlichem Wetter an, keine Wolke trübte den blauen Himmel und
es herrschte vollkommende Windstille bei 32° Celsius. Voller Hoffnung
begaben sich die Wissenschaftler frühzeitig zu der Station und um
elf Uhr trat das verstärkte Wachkommando an, um die Menschen davon
abzuhalten die Messungen während der Finsternis zu behindern.
Der Beginn der Finsternis war
nun immer näher gekommen. Der erste Kontakt des Mondes mit der Sonnenscheibe
wurde an verschieden kleineren Fernrohren beobachtet. Die Sichel wurde
immer schmaler, ohne dass eine Veränderung des Aussehens der Landschaft
oder eine Abnahme der Tageshelligkeit für das Auge zu erkennen war.
Erst als etwa 2/3 der Sonnenscheibe verdeckt waren, machte sich ein merkliches
Abnehmen der Tageshelligkeit bemerkbar. Dr.Schwassmann hatte das Doppelaequatorial
sowie die Kameras zu bedienen. Prof. Knopf wollte am Weberschen Photometer
die Helligkeit der Korona bestimmen. Ein Photograph aus Souk-Ahras übernahm
die Bedienung der drei festaufgestellten Kameras, ein deutscher Student
überwachte den Selenapparat und der Leiter der Expedition Prof. Schorr
stand im Zelt am Kassettenende des 20 m-Fernrohrs und besorgte das Einsetzen
der 70x80cm Platten.
Der Moment des Totatlitätbeginnes
rückte immer näher heran, jeder stand auf dem ihm zugewiesenen
Platz. Der Gehilfe Beyermann sollte auf einem auf dem Boden ausgebreitenden
großen Laken die fliegenden Schatten beobachten und deren Richtung
feststellen, ferner die meteorologischen Ablesungen machen sowie am Milli
Amperemeter die Widerstände der beiden aufgestellten Selenzellen bestimmen.
Immer schmaler wurde die Sichel und die Spannung der Astronomen wurde aufs
höchste gesteigert. Weinige Sekunden später verschwand die letze
Spur des Sonnenlichtes.
Leider war es einigen Astronomen
versagt ein Blick auf dieses wundersame Schauspiel zu werfen, da sie vollständig
mit den Photographien und Messungen beschäftigt waren. Doch während
der letzten Aufnahme, bot sich Prof.Schorr die Möglichkeit aus dem
Zelt zu springen und die Erscheinung mit bloßem Auge zu betrachten.
"Der Eindruck war überwältigend. Am graugrünlichen Himmel stand die tiefschwarze Mondscheibe, gleichmäßig umgeben von dem silberweißen Strahlenkranze der Korona, die äußerst intensiv leuchtete, dabei war das Licht derselben aber nicht glänzend, sondern vollkommen matt; aus ihr heraus schossen eine Reihe von grünlich-weißen Strahlen, die namentlich nach Süden hin bis zu einer Entfernung von 4 bis 5 Monddurchmessern verfolgt werden konnten. Von Sternen konnte ich nur die nur die intensiv strahlende Venus erkennen. Wunderschön war auch die Färbung des Horizontes, an dem rings herum die prachtvollsten Dämmerungs-Erscheinungen sichtbar waren, die sich scharf gegen den dunklen Horizont abhoben."
Die Dunkelheit war nicht so groß
wie Prof.Schorr erwartet hatte, es herrschte etwa die gleiche Helligkeit
wie zur Dämmerung eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang.
Während vor Beginn der
Totalität recht laute Stimme der Menschen auf dem Terrain zu hören
waren , herrschte zu dem Zeitpunkt der Finsternis lautlose Stille.
3 Min. und 33 Sek. nach
Beginn der Totalität fiel wieder der erste Sonnenstrahl auf die Erde.
Freudestrahlend beglückwünschten
sich die Astronomen und die umstehenden Zuschauer gratulierten ihnen, dass
sie unter so wunderbaren Bedingungen ein solches Schauspiel beobachten
konnten.
Am 20m-Rohr wurden fünf
photographische Aufnahmen hergestellt, am Doppelaequatorial und den dazugehörigen
Kameras sieben, an den feststehenden Kameras elf, sodass insgesamt 23 Photographien
erhalten wurden. Am Photometer wurde die Helligkeitsbestimmung der Korona
ausgeführt, die fliegenden Schatten wurden ebenfalls gesehen und beobachtet,
die meteorologischen Ablesungen hatten eine Temperaturabnahme von 31°.2
auf 27°.5 ergeben. Sehr auffällig war auch der "Finsternis-Wind",
der, obwohl es den ganzen Tag windstill gewesen war, etwa zwanzig Min.
vor Beginn der totalen Finsternis die Stärke drei annahm und auch
danach noch anhielt.
Bald darauf wurde eine Reihe
von Telegrammen abgeschickt , um der Heimat die erfolgreiche Beobachtung
des Phänomens zu melden. Auch in anderen Gebieten wie in Guelma (Schwarzschild
aus Göttingen) war ein "succes complet"zu verzeichnen.
Direkt am Tag nach der Finsternis
wurden die ersten Vorarbeiten für den Abbruch der Station erledigt.
Mit dem Abbruch der Station erfolgte ebenfalls die Entwicklung der Photographien
und am 8.September war die Gruppe mit dem Einpacken der Instrumente und
Entwickeln der Photoplatten fertig, die zur Freude der Astronomen fast alle
wunderbare klare Aufnahmen ergeben hatten.
Diese Arbeit wurde im Rahmen
eines Praktikums erstellt von Iris
Ambrosius