Hamburger Sternwarte Gebäude & Teleskope - Großer Refraktor
Der Große Refraktor ist wohl das eindrucksvollste Instrument der
Hamburger Sternwarte. Mit 60cm Objektivdurchmesser und
9m Brennweite zählt er zu den größten
Refraktoren Deutschlands. Größer sind nur
noch die Refraktoren in Potsdam (Ø 80cm),
Berlin-Babelsberg (Ø 65cm)
sowie das ungewöhnliche Treptower Riesenfernrohr (Ø 68cm)
der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow, das aber nie
wissenschaftlich genutzt wurde. Der Hamburger Große Refraktor ist das
größte noch existierende betriebsfähige Repsold-Instrument.
Als Anfang des Jahrhunderts anläßlich der Verlegung der Hamburger
Sternwarte nach Bergedorf eine Neuausrüstung des Instrumentariums anlag,
war der Wettstreit zwischen Refraktoren und Spiegelteleskopen in vollem
Gange. Die Spiegelteleskope hatten zwar beachtliche Erfolge erzielt, bis
dato galt jedoch ein großer langbrennweitiger Refraktor als das
Nonplusultra der Teleskoptechnik. Die Hamburger Sternwarte beschaffte
beide Instrumententypen, wobei allerdings der Große Refraktor allein die
Hälfte der gesamten instrumentellen Investitionskosten verschlang.
Der Große Refraktor ist ein frühes Beispiel industrieller Kooperation.
Tubus und Montierung stammen von der traditionsreichen Hamburger Firma A.
Repsold & Söhne (es sollte das letzte große Repsold-Instrument sein),
das Objektiv wurde von Steinheil in München angefertigt, und als
Hersteller von Kuppel und Hebebühne zeichnet die Firma
Carl Zeiss in Jena verantwortlich. Während das Kuppelgebäude
einschließlich der Hebebühne
bereits 1909 stand und das Teleskop im Mai 1911 von Repsold
fertiggestellt
wurde, verzögerte sich die Lieferung des visuell korrigierten Objektivs
bis zum April 1914, da Steinheil Schwierigkeiten hatte, genügend
schlierenfreie Glasscheiben für das zweilinsige Objektiv zu erhalten.
1925 wurde ein zweites, photographisch korrigiertes Objektiv von Steinheil
geliefert. Seinerzeit waren Photoplatten noch ausschließlich
blauempfindlich. In diesem Spektralbereich war das visuelle Objektiv nicht
optimal korrigiert, so daß damit keine scharfen Aufnahmen möglich waren.
Um nun sowohl visuelle als auch photographische Beobachtungen durchführen
zu können, hatte man in der Vergangenheit einige große Refraktoren als
Doppelrefraktoren ausgeführt (z.B. Potsdam, Meudon). Mit dem Bergedorfer
Refraktor wurde nun erstmals der Weg beschritten, zwei Objektive am selben
Rohr gegeneinander austauschen zu können. Das photographische Objektiv
wurde 1931 von Bernhard Schmidt umgeschliffen, um es besser auf die
Empfindlichkeit der damaligen Emulsionen abzustimmen.
Die Bedienung des Großen Refraktors wird durch die eingebaute
Hebebühne wesentlich erleichtert. Der gesamte Fußboden der 13m
durchmessenden Kuppel ist an starken Stahlseilen aufgehängt und
durch große Betongewichte ausbalanciert. An der Innenwand des
kreisförmigen Kuppelgebäudes befinden sich drei um 120°
versetzt angeordnete
Spindeln, an denen die Hebebühne durch elektromotorisch angetriebene
Muttern um 4.5m auf- und abbewegt werden kann. Dadurch ist es möglich,
das Okularende in jeder Stellung des Teleskops bequem zu erreichen, ohne
daß man auf Leitern oder Gerüste klettern muß.
Am Teleskoptubus sind noch ein Leitrefraktor von 18cm Öffnung
und 8.5m Brennweite sowie ein 10cm Sucher angebracht.
Teilkreise im Innern der
Repsold-Montierung können durch Ablesefernrohre vom Okularende aus
abgelesen werden. Die Feinbewegung wurde inzwischen auf Elektromotoren
umgestellt, die Grobbewegung erfolgt hingegen durch Schwenken des
tonnenschweren Rohres von Hand. Als Besonderheit ist noch eine direkt
hinter dem Objektiv angebrachte, vom Okularende aus zu betätigende
Irisblende zu erwähnen, die es gestattet, die Öffnung des Teleskops
zwischen ca. 5cm und 60cm stufenlos zu variieren, um sie dem
Beobachtungszweck und den Luftverhältnissen anpassen zu können.
In den ersten Jahren wurde der Große Refraktor von K. Graff
hauptsächlich für visuelle Beobachtungen der Planeten sowie für die
visuelle Photometrie von veränderlichen Sternen eingesetzt. Später
folgten dann umfangreiche Programme zur photographischen Photometrie von
offenen Sternhaufen und veränderlichen Sternen, die von J. Hellerich
durchgeführt wurden. In den dreißiger Jahren wurde auch ein eigens für
den Großen Refraktor von Carl Zeiss angefertigter Prismenspektrograph
verwendet, der nach dem Kriege an das 1m-Spiegelteleskop angebaut wurde
und sich auch heute noch dort befindet.
Im zweiten Weltkrieg ruhte der Beobachtungsbetrieb am Großen Refraktor.
Bei einem Luftangriff durchschlug eine Brandbombe Kuppel und Hebebühne
und blieb im Keller stecken, ohne sich aber zu entzünden.
Nach dem Kriege diente der Große Refraktor zunächst mehrere Jahre lang
G. Thiessen für Messungen des schwachen globalen Magnetfeldes der Sonne.
Ab 1952 wurde das Teleskop hauptsächlich zur lichtelektrischen
Photometrie und Polarimetrie verwendet. Ein neues, besonders schnell
registrierendes Photometer ermöglichte ab 1969 die Beobachtung und
Überwachung des Crabnebel-Pulsars im optischen Spektralbereich,
zu der seinerzeit nur wenige Sternwarten in der Lage waren. Dabei konnten
mehrfach Periodensprünge gefunden werden, die als Radiusänderungen
des Pulsars gedeutet wurden. Der eigentliche Verwendungszweck dieses
Photometers war jedoch die Beobachtung von Sternbedeckungen durch den
Mond, aus denen sich die Winkeldurchmesser der winzigen, nicht direkt
beobachtbaren Sternscheibchen ableiten lassen. Ab Mitte der siebziger
Jahre wurde der Große Refraktor zunehmend für astrometrische
Beobachtungsaufgaben herangezogen, was auch eine umfangreiche
Grundüberholung und Modernisierung des Instruments in den Jahren 1981/82
erforderte. Dank seiner langen Brennweite und der Stabilität der
optischen Konfiguration ist der Große Refraktor für bestimmte
astrometrische Aufgaben besonders gut geeignet.
In den letzten Jahren wurden an dem Instrument keine wissenschaftlichen
Beobachtungen mehr durchgeführt. Der Große Refraktor wird gegenwärtig
vorzugsweise für öffentliche Beobachtungsabende verwendet. Vor einigen
Jahren konnten mit ihm aber auch hochaufgelöste CCD-Aufnahmen gewonnen
werden, wie z.B. beim Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter
im Juli 1994. Aber auch sehr gelungene Amateuraufnahmen sind entstanden, wie
die Fotos von Jupiter und Saturn:
Aufnahme: Mario Ilmers, während Führung am 20.3.2002
Text und Bilder von Matthias Hünsch, historische Aufnahmen: Hamburger Sternwarte
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Anläßlich des Jahres der Astronomie 2009, wurde dieser kleine
Film
gedreht.
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