Am 1. September 1919
starb Prof. Dr. Johann Adolf Repsold und am 22. Oktober desselben Jahres
Oscar Philipp Repsold, die Inhaber der feinmechanischen Werkstatt für
astronomische und geodätische Meßinstrumente A. Repsold &
Söhne in Hamburg. Mit dem Tode dieser beiden Brüder hat die Repsoldsche
Werkstatt ihre Pforten geschlossen, nachdem sie in 120 jähriger ruhmvoller
Tätigkeit der Wissenschaft große Dienste geleistet hat. Drei
Generationen der Familie Repsold haben in ihr gearbeitet und von bescheidenen
Anfängen ausgehend sind die von ihnen erbauten Instrumente durch fortwährende
Vervollkommnung, praktische Anordnung, technische Feinheit und künstlerischen
Aufbau zu wahren Meisterwerken geworden, die auf der ganzen Welt Verbreitung
gefunden haben.
Der Gründer der
Werkstatt war Johann Georg Repsold. Geboren am 19. September 1770 als Sohn
eines Predigers in Wremen an der Wesermündung, fand er 1788 in Cuxhaven
unter dem hamburgischen Elbkondukteur Woltmann Anstellung beim Wasserbau
und wurde 1795 zum "Stadt-Landmesser" in Hamburg ernannt. 1799 wurde er
mit dem Amt eines Spritzenmeisters der Stadt betraut. Als solcher hatte
er die Feuerlöschung zu leiten und ferner eine Werkstatt zu halten,
in welcher Spritzen und sonstiges Feuerlöschgerät, sowie Leuchtfeuereinrichtungen
für die Elbmündung hergestellt und repariert werden konnten.
Da aber das Gehalt nur gering war, durfte Repsold auch in seiner Werkstatt
für eigene Rechnung arbeiten lassen, eine Gelegenheit, die er bei
seiner Vorliebe und Begabung für mechanische Arbeiten mit Freuden
ergriff. Er baute anfangs einige physikalische Apparate, wurde aber wohl
noch im Laufe des Jahres 1799 auf die Herstellung astronomischer Meßinstrumente
gelenkt, und zwar durch Dr. Joh. Caspar Horner (1774 - 1834) aus Zürich,
der nach seinem Studium in Göttingen und nach seiner Tätigkeit
an der Sternwarte auf dem Seeberge bei Gotha unter von Zach im August 1799
nach Hamburg kam, um eine von der Commerz-Deputation angeordnete Vermessung
der Weser-, Elbe- und Eidermündungen vorzunehmen. Als erstes astronomisches
Meßinstrument fertigte Repsold in gemeinsamer Arbeit mit Horner einen
Sextanten an und im Herbst 1801 ein kleines Durchgangsinstrument von 22
cm Achsenlänge, an dem er unter Horners Anleitung die ersten befriedigenden
Beobachtungen anstellen konnte. 1803 wurde ein wesentlich größeres
Durchgangsinstrument von 2.6 m Brennweite und einem Teilkreise von 1.1
m Durchmesser fertiggestellt, welches nicht allein den größten
bestehenden der Art gleich war, sondern auch durch Einführung mikroskopischer
Ablesung an dem großen Teilkreise statt der Verniers das erste brauchbare
Exemplar eines Meridiankreises darstellte. Repsold stellte den Meridiankreis
und eine selbst angefertigte astronomische Pendeluhr in einem bescheidenen,
mit Schieberdach versehenen Holzhäuschen auf der Bastion Albertus
(der jetzigen Elbhöhe beim Stintfang) auf und machte auf dieser Sternwarte
am 25. August 1803 seine ersten Beobachtungen.
Die Aufmerksamkeit der
astronomischen Fachwelt wurde schnell auf den Künstler Repsold gelenkt.
1807 trat Repsold mit Gauß in Verbindung, um sich bei Herstellung
eines neuen Objektivs für seinen Meridiankreis bessere Formen für
die Linsen zu erbitten, und in demselben Jahre wurde er mit H. C. Schumacher,
dem späteren Direktor der Sternwarte in Altona, bekannt, mit dem Repsold
dann von 1809 bis 1812 gemeinsam an dem Meridiankreis beobachtete und in
ein enges Freundschaftsverhältnis trat. Auch mit Olbers in Bremen
war Repsold lange Jahre hindurch befreundet. Infolge der Okkupation Hamburgs
durch die Franzosen mußte die Sternwarte auf der Bastion Albertus
abgebrochen werden; der dadurch außer Gebrauch gesetzte Meridiankreis
wurde 1815 von Gauß für die Göttinger Sternwarte angekauft
und nach Vornahme einiger Änderungen im April 1818 durch Repsold in
Göttingen aufgestellt. Aus der Werkstatt gingen weiter eine Pendeluhr
für die Sternwarte in Dorpat, verschiedene kleinere Durchgangsinstrumente
für Schumacher, für dänische Vermessungszwecke und für
Bessel in Königsberg und 1820 für die dänische Gradmessung
ein Basis-Meßapparat hervor, mit welchem im Oktober 1820 unter Beteiligung
von Gauß, Schumacher und Repsold die Braacker Basis (bei Ahrensburg)
gemessen wurde. Von 1823 an beschäftigten Repsold durch mehrere Jahre
vielfach die Apparate zu Bessels berühmten Pendelversuchen, und zu
gleicher Zeit baute er eine Längen-Teilmaschine, die Schumacher bei
seinen Maßvergleichungen benutzte, und deren Hauptzweck die Zerlegung
eines gegebenen Maßes bis zu 1 m Länge in beliebig viele Unterabteilungen
war. Die Schwierigkeiten, die Repsold bei der Teilung seines Meridiankreises
gehabt hatte, veranlaßten ihn, noch Ende 1818 auch die Arbeiten für
eine Kreisteilmaschine von 1.24 m Durchmesser zu beginnen. Auf Repsolds
Anregung entstand 1821 die Sternwarte in Hamburg am Millerntor. Als erstes
Instrument dieser Sternwarte wurde ein Durchgangsinstrument von 1.6 m Brw.
in Angriff genommen, doch erst 1829 vollendet. Es wurde nach einer Aufbesserung
im Jahre 1906 auf der neuen Hamburger Sternwarte in Bergedorf in gutem,
leistungsfähigem Zustande wieder aufgestellt. Am 14. Januar 1830 fand
Repsold in Ausübung seines städtischen Amtes durch den Einsturz
eines brennenden Gebäudes ein plötzliches Ende. Vor der Sternwarte
am Millerntor wurde ihm ein Denkmal errichtet, das am 5. April 1832 enthüllt
wurde.
Repsolds Werkstatt wurde
von seinen Söhnen Adolf und Georg fortgeführt, indem Georg hauptsächlich
den rein geschäftlichen Teil des Betriebes besorgte, während
der Entwurf und die Konstruktion der Instrumente und die Leitung der Arbeiten
fast ausschließlich in Adolfs Händen lagen, der auch das Amt
des Spritzenmeisters übernahm. Die bisher geführte Firmabezeichnung
J. G. Repsold wurde in A. und G. Repsold geändert. Von großer
Wichtigkeit für den ungestörten Fortgang der Werkstatt war es,
daß Schumacher den Söhnen seines verstorbenen Freundes mit Rat
und Fürsprache zur Sehe stand. Bei der hervorragenden Begabung von
Adolf Repsold für mechanische Arbeiten konnte Schumacher schon 1832
an Gauß schreiben: "Ich wünschte, daß Sie dabei die Hülfe
des jungen Repsold hätten, der jetzt schon den Vater nicht vermissen
missen läßt."
Die ersten größeren
Arbeiten der Söhne waren ein tragbares Durchgangsinstrument für
Bessel, ein Längen-Meßapparat für Wilhelm Weber und ein
Durchgangsinstrument von 2.9 m Brw. für die Sternwarte in Edingburg.
Die von J. G. Repsold in Angriff genommene Kreisteilmaschine wurde vollendet
und bei der Herstellung des Meridiankreises (1.6 m Brw.) der Hamburger
Sternwarte 1836 und des Meridiankreises (2.3 m Brw.) für Pulkowa benutzt.
Gleichzeitig mit dem Meridiankreise wurde auch das Passageninstrument im
ersten Vertikal für Pulkowa (2.4 m Brw.) gebaut. Bei der im Herbst
1839 in Hamburg abgehaltenen Naturforscherversammlung untersuchte Bessel
den Meridiankreis der Hamburger Sternwarte und bestellte einen solchen
für Königsberg, der im November 1841 durch A. Repsold daselbst
zur Aufstellung gelangte. Bei dieser Gelegenheit konnte sich Repsold eingehend
mit Bessel über die Konstruktionsmöglichkeiten des für die
Radcliffe-Sternwarte in Oxford bestellten Heliometers mit 3.2 m Brw. beraten,
welches besonders hohe Anforderungen an die Kunst des Mechanikers stellte.
Nach Lieferung verschiedener
kleiner Instrumente, wie Steinheilsche Prismenkreise für Schumacher,
Gauß u. a., magnetische Apparate für Gauß und Weber, wurde
der Bau wissenschaftlicher Instrumente durch den großen Brand von
Hamburg (5, bis 8. Mai 1842) für längere Zeit unterbrochen. Neben
einer Reihe kleinerer Arbeiten, Universalinstrumente für Berlin, Lund
u. a., wurden 1846 zwei Meridiankreise für Moskau und Kasan, ähnlich
dem Pulkowaer, 1848 das Heliometer für Oxford und 1854 ein Meridiankreis
(2.1 m Brw.) für Madrid vollendet.
Da sich die Werkstatträume
in der alten Dienstwohnung am Herrengraben namentlich für den Bau
größerer Instrumente als völlig unzureichend erwiesen hatten,
wurde die Werkstatt 1856 nach der Böhmkenstraße verlegt. Es
entstanden daselbst 1860 ein Äquatoreal von 2.0 Brw. für die
Sternwarte in Gotha, 1862 je ein Meridiankreis für die Tapada- und
für die Marine-Sternwarte in Lissabon und ein Meridiankreis für
Tiflis, 1865 das größte bisher von Repsold gebaute Äquatoreal
von 6.8 m Brw. für die Tapada-Sternwarte in Lissabon und 1867 das
Äquatoreal für die Hamburger Sternwarte mit 3.1 m Brw. Ferner
wurden noch Meridiankreise für die Sternwarten in Chicago und Cambridge
(Mass.), 1866 und 1871 für Neapel und außerdem eine Reihe von
kleineren Arbeiten hergestellt, wie Passagen- und Universalinstrumente,
Höhenkreise, Reversionspendel-Apparate für St. Petersburg und
Zürich, ein Basismeßapparat für Vermessungen auf Java,
ein magnetischer Theodolit für Tiflis u. a. m. Adolf Repsold wurde
1865 zum Oberspritzenmeister ernannt und als solcher durch die Amtsgeschäfte
sehr in Anspruch genommen. Er ließ deshalb seinen ältesten Sohn
Johann Adolf, der sich nach seinen Lehrjahren zur weiteren Ausbildung ein
Jahr lang an den Arbeiten der Altonaer Sternwarte unter C. A. F. Peters
beteiligt hatte, Ende 1859 zunächst zur Beaufsichtigung der Werkstatt
zurückkehren und 1862 als dritten Teilhaber in die Werkstatt eintreten.
Im Sommer 1867 schied Georg Repsold aus, und es wurde Adolf Repsolds dritter
Sohn Oscar aufgenommen. Adolf Repsold starb am 13. März 1871.
Die Werkstatt wurde
von seinen beiden Söhnen Johann und Oscar fortgeführt und konnte,
nachdem die Verpflichtung zur Herstellung von Feuerlöscheinrichtungen
fortgefallen war, ganz auf den Bau wissenschaftlicher Instrumente eingestellt
werden. Die Arbeitsräume in der Böhmkenstraße erwiesen
sich für diesen Zweck abermals als unzureichend. Die Werkstatt wurde
deshalb schon 1872 in einem neuen Heim am Borgfelder Mittelweg (jetzt Claus-Groth-Straße)
eingerichtet. Es ist den beiden Brüdern durch rege schöpferische
Tätigkeit in reichem Maße gelungen, den anerkannten Weltruhm,
den sich J. G. und A. Repsold durch die Erzeugnisse ihrer Werkstatt in
sieben Jahrzehnten erobert hatten, aufrecht zu erhalten und zu erweitern.
Der führende Geist der Werkstatt wurde Joh. Repsold. Er fand in seinem
Bruder und Teilhaber Oscar einen verständnisvollen und tätigen
Mitarbeiter, der neben der Überwachung der Werkstattarbeiten namentlich
bei den wichtigsten und subtilsten Teilen der Instrumente, den Mikrometern,
die letzten schwierigsten Justierungen und Verbesserungen selbst besorgte
und fast alle Teilungen selbst ausführte.
Hauptsächlich waren
es wiederum parallaktische Aufstellungen, Meridiankreise und Heliometer,
die in mustergültigen Konstruktionen angefertigt wurden. So entstanden,
abgesehen von verschiedenen kleinen parallaktischen Fernrohraufstellungen,
1871 der Refraktor für Santiago (Chile) von 4.4 m Brw., 1873 für
Straßburg von 2.6 m, 1874 für Nicolajew von 4.2 m, 1877 für
Stockholm von 2.6 m und für Potsdam von 5.2 m, 1879 für Mailand
und für Pulkowa von 6.8 m Brw. Es wurden ferner hergestellt die Meridiankreise
für Kiew, Lund, Taschkent, Wilhelmshaven und Straßburg. Letzteres
1877 erbautes Instrument erfuhr namentlich nach den Angaben von Winnecke
Verbesserungen und Umgestaltungen und ist als erster Typ der Repsoldschen
modernen Meridiankreise anzusehen, von denen in der Zeit von 1878 bis 1900
eine große Anzahl an viele Sternwarten des In- und Auslandes geliefert
wurden, u. a. für Bonn, Brüssel, Tokio, Madison, Williamstown,
Mount Hamilton, Northfield, Wien-Ottakring, WestPoint, Charkow, Quito,
München, Heidelberg, Kremsmünster. Auch in der Konstruktion der
Heliometer konnten durch die Bemühungen von Johann Repsold wesentliche
Fortschritte gemacht werden. Schon bei der Beobachtung des Venusdurchganges
am 8. Dezember 1874 wurden von deutschen und russischen Expeditionen zu
diesem Zwecke hergestellte oder nach einheitlichem Plan umgearbeitete Repsoldsche
Heliometer benutzt. Die Periode der neueren Heliometer begann mit dem Jahre
1880. Es wurde gebaut 1882 das Heliometer für New Haven (2.6m Brw.),
1886 für Leipzig (1.9 m Brw.), 1887 für Kapstadt (2.6m Brw.),
1888 für Göttingen und Bamberg (2.6 m Brw.), 1894 für Wien-Ottakring
(3.0 m Brw.). 1884 wurde die größte in der Werkstatt hergestellte
parallaktische Aufstellung für den Refraktor der Sternwarte in Pulkowa
(Objektiv von 0.76m Öffnung und 13.7 m Brw.) geliefert. Ihr folgten
kleinere Refraktoren für Helsingfors, Potsdam, Leipzig, Kiew, Upsala,
Pulkowa, Taschkent, Leiden, Kopenhagen und 1898 der große Doppelrefraktor
für Potsdam (photographisches Rohr: 0.80 m Öffnung, 12m Brw.;
optisches Rohr: 0.50 m Öffnung, 12.5 m Brw.) und 1910 der große
Refraktor für die Hamburger Sternwarte in Bergedorf (0.60 m Öffnung,
9 m Brw.). Kleinere astronomische Instrumente wurden ebenfalls in großer
Anzahl konstruiert und fertiggestellt: Heliostate, Siderostate, Plattenmesser,
viele feste und tragbare Durchgangsinstrumente, Vertikalkreise, von denen
als die wichtigsten und modernsten die 1899 erbauten Vertikalkreise für
die Sternwarten Odessa und Breslau angeführt werden mögen, ferner
neue Formen geodätischer Instrumente, Durchgangs-Theodolite, Höhenkreise,
Reversionspendel-, Horizontalpendel- und Basismeßapparate u. a.
Von epochemachender
Bedeutung ist das von Johann Repsold erfundene "unpersönliche Mikrometer"
geworden, durch welches die Leistungsfähigkeit der Durchgangsinstrumente
wesentlich gesteigert wurde. Große Verdienste hat sich Johann Repsold
auch bei dem um 1900 einsetzenden weiteren Ausbau der Meridiankreise erworben.
Es wurden gebaut die Meridiankreise 1902 für Kiel, 1907 für La
Plata, Hamburg und Cordoba, 1910 für Santiago. Auch literarisch war
Johann Repsold vielfach tätig. Er veröffentlichte zahlreiche
Schriften über die Konstruktion und geschichtliche Entwicklung von
Instrumenten und über das Leben und das Werk von Instrumentenbauern
und Astronomen. Besonders wertvoll ist sein großes Werk "Zur Geschichte
der astronomischen Meßwerkzeuge", das in zwei Bänden 1908 und
1914 erschienen ist und ein treues Bild der geschichtlichen Entwicklung
der astronomischen Meßwerkzeuge von 1450 bis 1900 gibt.
Mit Ausbruch des Krieges
wurde die Tätigkeit der Werkstatt lahmgelegt und gelangte nach dem
1919 erfolgten Tode der beiden Brüder, da beide keine männlichen
Erben hinterließen, auf ihren ausdrücklichen Willen gänzlich
zur Ruhe, zum Bedauern der astronomischen Wissenschaft, die 120 Jahre lang
Repsoldsche Meisterwerke
für ihre Forschungen empfangen hat. Mögen
die Instrumente bei der im Laufe der Zeiten fortschreitenden Entwicklung
der Beobachtungsmethoden und instrumentellen Hilfsmittel auch veralten,
der Name Repsold wird für immer mit den Ewigkeitswerten der Forschungsergebnisse
verknüpft bleiben, die mit den Repsoldschen Instrumenten erworben
sind und in Zukunft noch erworben werden.
Nachruf im Anhang zum Jahresbericht der Hamburger
Sternwarte 1922.
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