Hamburger Sternwarte - Überblick:
Geschichte
Die Hamburger Sternwarte hat ihren Standort seit 1909 in Bergedorf.
Sie wurde ursprünglich in der Hamburger Innenstadt am Millerntor
gegründet.
Dort, an der damaligen Stadtgrenze nach dem dänischen
Altona, hatte die Stadt Hamburg auf Initiative des "Obersprützenmeisters"
Johann Georg Repsold das erste öffentliche
Observatorium der Stadt gebaut.
Johann Georg Repsold (19.9.1770 - 14.1.1830) hatte Mathematik-, Astronomie und
Landvermessungsunterricht bei den Wasserbaudirektoren Johann Theodor Reinke
(10.4.1749-30.1.1825) und Reinhard Woltmann (Dez. 1757 - 20.4.1837) genossen
und war 1799 in den Betrieb des städtischen Spritzenmeisters eingetreten,
dessen Aufgabe damals auch war, in einer eigenen Werkstatt
Feuerwehrgerätschaften und Leuchtturmanlagen der Stadt zu warten. Zur
Sicherung des eigenen Gehaltes durften die Spritzenmeister die Werkstatt
für Nebentätigkeiten nutzen. Bei Repsold entwickelte sich in sehr
kurzer Zeit die Leidenschaft für astronomische Beobachtungsgeräte.
Bereits 1802 beantragte er, auf dem Wall, den Befestigungsanlagen der Stadt,
eine eigene Sternwarte zu errichten. Seine Instrumente und astronomischen
Fähigkeiten wurden sehr bald hoch gelobt. Christian Heinrich Schumacher,
der Begründer der Astronomischen Nachrichten, kam häufig von der
Altonaer Sternwarte herüber zum Beobachten. Durch die napoleonische
Besetzung der Stadt mußte die Sternwarte jedoch 1811 abgebrochen werden.
Zusammen mit Reinke und J.C. von Hess reichte Repsold im gleichen Jahr beim
Hamburger Senat den Antrag ein, ein eigenes städtisches Observatorium zu
gründen. Erst zehn Jahre später, am 22. 8. 1821 willigte der Senat
ein, sofern Repsold selbst unentgeltlich für die Instrumentierung sorgte.
Ende 1825 war der Bau beendet, und Repsold selbst wurde Direktor.
Auf dem zweiflügeligen Bau saßen einfache hölzerne Drehkuppeln. Beide
Flügel waren über den Meridiansaal verbunden, in dem ein
Passageinstrument und ein Meridiankreis standen. In den östlichen
Flügel zog die neue Navigationsschule der Stadt ein, im westlichen
entstanden die Arbeitsräume der Sternwarte. Im Januar 1830 starb Johann
Georg Repsold unerwartet bei Brandlöscharbeiten. Die Stadt mußte sich nun
endgültig entscheiden, auch für die Instrumentierung und das Personal
Sorge zu tragen. Am 31. 10. 1833 beschloß die Bürgerschaft, die Hamburger
Sternwarte als Staatsinstitut zu übernehmen. Zum neuen Direktor wurde
Christian Karl Ludwig Rümker (18.5.1788 - 21.12.1862) ernannt, der bis
dahin Australiens erste Sternwarte in Paramatta bei Sydney leitete.
Die feinmechanischen
Werkstätten Repsolds
wurden von den Söhnen und
später Enkeln zu einem weltweit führenden Betrieb ausgebaut, der mit
der Hamburger Sternwarte stets eng verbunden blieb.
Der Betrieb A. Repsold &
Söhne arbeitete bis 1919. "Charles" Rümker schied 1857 aus der
Sternwarte aus. Danach übernahm dessen Sohn George Rümker
(31.12.1832-3.3.1900) die Leitung. Zu den astronomischen Tätigkeiten der
Sternwarte zählten in den Anfangsjahren astrometrische Messungen, die
Verfolgung ungewöhnlicher Ereignisse wie Kometen oder Mondbedeckungen und
später auch die Untersuchung von "Nebelflecken". Die Haupttätigkeit
der Sternwarte war jedoch die Bestimmung der exakten Zeit. Die Uhrenanlage des
Observatoriums steuerte mehrere Normaluhren der Stadt, ab 1876 den Zeitball im
Hamburger Hafen und später die telefonische Zeitansage. 1867 erhielt die
Sternwarte Zuschüsse eines kaufmännischen Vereins, um ein
leistungsstarkes Fernrohr nebst neuem Beobachtungsturm zu erwerben. Das
Äquatorial, ein Refraktor mit 27cm Öffnung steht
noch heute im Dienst der Sternwarte.
Gegen Ende des Jahrhunderts wurde die
Beobachtungstätigkeit innerhalb der sich ausdehnenden Stadt durch Rauch, Licht
und Erschütterungen unerträglich, und George Rümker beantragte
zusammen mit Richard Schorr (20.8.1867-21.9.1951) die Verlegung der Sternwarte
nach Bergedorf. Schorr wurde nach dem Tode Rümkers zum neuen Direktor
ernannt.
Die Bewilligung der Stadt erging in der Hamburger Bürgerschaft am
21.2.1906 wonach mit den Bauarbeiten unverzüglich begonnen wurde. 1909
standen die meisten Gebäude und die ersten Instrumente. 1912 wurde die
neue Sternwarte offiziell eingeweiht.
Die alte Sternwarte wurde abgerissen und an ihrer Stelle das Museum für
Hamburgische Geschichte errichtet. Die ersten Instrumente der Sternwarte waren
der Meridiankreis von A. Repsold & Söhne, der
Große Refraktor,
ebenfalls von Repsold, mit einer Optik von Steinheil,
der 1m-Spiegel
von Carl Zeiss, der Doppelastrograph
von Zeiss, sowie die Instrumente der alten Sternwarte (darunter das Äquatorial
und das Passageinstrument). Zum Kauf des Doppelastrographen erhielt die Sternwarte
eine kräftige Spende des Kaufmanns Eduard Lippert.
Die astrometrischen
Arbeiten der Sternwarte gehörten in der neuen Sternwarte nach wie vor zu
den Haupttätigkeiten. Es entstanden mehrere große Kataloge, u.a. der
AGK2-Katalog. Doch auch astrophysikalische Untersuchungen bekamen nun ein
stärkeres Gewicht.
Am Lippert-Doppelastrograph durchmusterten Arnold
Schwassmann und sein Assistent Arno Wachmann die Kapteynschen Eichfelder
systematisch mit Objektivprismenaufnahmen auf der Suche nach astrophysikalischen
Eigenschaften von Sternen.
Am 1m-Teleskop arbeitete der junge Walter Baade
zwischen 1919 und 1931. Sein Interesse galt u.a. der Untersuchung von
Sternpopulationen in Spiralnebeln, vornehmlich in der eigenen Milchstraße.
Ein besonderer Schwerpunkt der astronomischen Tätigkeiten waren zwischen 1905
und 1929 mehrere Sonnenfinsternisexpeditionen, u.a. nach Algerien, nach Mexiko,
nach Nordschweden und auf die Philippinen. Seit März 1916 arbeitete
Bernhard Schmidt
(30.3.1879-1.12.1935) als freier Mitarbeiter an der
Hamburger
Sternwarte. Richard Schorr erkannte die überragenden Fähigkeiten des
einarmigen estländischen Optikers und bot ihm eigene Arbeitsräume
für Experimente an. Schmidts Unabhängigkeit wurde stets
toleriert. Trotz seiner Behinderung war Bernhard Schmidt ein begnadeter
Optikkünstler, der mehrere Teleskopsysteme für die Sternwarte entwarf
und erfolgreich testete. Der Höhepunkt war die Erfindung der
Korrektionsplatte für Kugelspiegelteleskope zur Eleminierung von
Komaeffekten bei der Plattenfotografie. Sein erster Schmidtspiegel war eine Weltsensation.
Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland 1933
mußte für den alternden Richard Schorr ein Nachfolger gefunden werden.
Anfangs war Walter Baade im Gespräch, der sich 1937 im Falle der Zusage
ein großes Schmidtteleskop erbat, welches auch vom Hamburger Senat zugesagt
wurde.
Doch Baade lehnte dennoch ab, und die neue Wahl fiel auf Otto Heckmann
(23.6.1901-13.5.1983). Die Nazis, im Glauben an antisemitische Weltbilder, lehnten
Heckmann aufgrund seines kosmologischen Arbeitsgebietes (Kosmologie =
Relativitätstheorie = Albert Einstein) jedoch ab. Nur mit viel Mühen
Schorrs konnte Heckmann 1941 dann doch zum neuen Direktor der Sternwarte
ernannt werden.
Nach dem Krieg erinnerte sich der Hamburger Senat an seine
Zusagen und gab 1951 die Mittel für den Großen Schmidtspiegel frei. Er
wurde 1954 fertiggestellt. In dem Kuppelgebäude wurde zusätzlich
eine Spiegelbedampfungsanlage untergebracht,
die auch heute noch in Betrieb ist.
Aufgrund besserer Beobachtungsbedingungen andernorts wurde der
Schmidtspiegel 1976 zum neu entstehenden Calar Alto Observatorium in
Südspanien verlagert. Auf die bestehende Montierung wurde Dank der Spende
des Lehrers Nikolaus Lühning 1975 ein Ersatz-Spiegelteleskop gesetzt
(Oskar-Lühning-Teleskop).
Zwischen 1956 und 1964 wurde in Anlehnung an den AGK2-Katalog der
AGK3-Sternkatalog beobachtet und veröffentlicht. 1971 kam das letzte
große Instrument, der Zonenastrograph
von Carl Zeiss in Oberkochen an die Hamburger Sternwarte.
1962 wurde in Bergedorf, mit starker Beteiligung der Hamburger Sternwarte,
die Europäische Südsternwarte
(ESO) gegründet. Otto Heckmann wurde ihr erster Generalsekretär (1962-1969).
1968 wird dann das staatliche Institut Hamburger Sternwarte als Institut im
Fachbereich 12 (Physik) der
Universität Hamburg aufgenommen und
ist seitdem einer der 4 Forschungsschwerpunkte der Physik.
Anfang der 50'er Jahre bekam die Hamburger eine wichtige Bedeutung bei der
Planung einer neuen großen Sternwarte in Caracas, Venezuela.
Eduardo Röhl entschied sich bei der Planung für eine
Kopie der kompletten Hamburger
Sternwarte in 1½ facher Größe. Nachdem sich der Fortgang
lange hinzog, leitete schließlich der ehemalige Hamburger Student
Jürgen Stock die Arbeiten in
den 70'ger Jahren. Heute ist das Centro de Investigaciones de Astronomia
(CIDA) auf dem Gelände
in Merida, dem endgültigen Standort, beherbert.
Text und Bilder von K.-J. Schramm
Weitere Links zur Geschichte der Astronomie in Hamburg
Eine wichtige Quelle für diesen Bericht ist ein Artikel von
Schorr aus dem Jahre 1901, dem Quellen zugrunde lagen, die es heute nicht mehr gibt. (auch als Postscript)
Interessant ist auch die Einleitung des Jahresberichts der Sternwarte aus dem Jahr 1906. (auch als Postscript)
Beschreibung der Sonnenfinsternisexpedition im Jahre 1905
Eine ebenso ausführliche Beschreibung von Jochen Schramm
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